Kurzbewertung: 4/5 Sternen
Nachdem ich vor einiger Zeit die vier Verfilmungen der Carl Mørck-Reihe gesehen habe, hatte ich die Gelegenheit, mein erstes Adler-Olsen-Buch zu lesen.
Der Titel ist 2022 in der deutschen Übersetzung bei dtv erschienen. „Natrium Chlorid“ ist dabei der neunte Teil der Carl Mørck-Reihe vom Sonderdezernat Q.
Das Sonderdezernat Q gerät durch den Selbstmord einer 60-Jähringen Frau einem alten Fall auf die Spur, bei der der Sohn der Verstorbenen durch die Explosion einer Autowerkstatt getötet wurde. Bisher ist die Polizei von einem Unfall ausgegangen. Mørck und seine Kollegen rollen den Autowerkstattfall neu auf und treffen dabei auf weitere Fälle mit einem Muster, bei dem aus bisher ungeklärten Umständen an den Tatorten Natrium Chlorid – Kochsalz – zurückblieb. Je näher die Ermittler dabei den Hintergründen der als Selbstmord getarnten Todesfälle kommen, desto mehr kristallisieren sie sich als Taten eines Serientäters heraus. Plötzlich gerät sogar das Sonderdezernat Q in das Fadenkreuz des Killers. Mørcks Team wird dadurch auf eine existentielle Probe gestellt.
Adler-Olsen erzählt die Geschichte aus den Perspektiven der Figuren und fügt großzügig eine Reihe von Rückblenden an. Über jedem Kapitel steht der Name des POV inklusive Datum. Leider ist die Einteilung der Abschnitte nicht konsistent. So ist z.B. das Kapitel 43 mit „Assad“ überschreiben, aber die dritte Szene ist eindeutig aus Mørcks Perspektive geschrieben. Das stört nicht weiter, wenn man die Kapitelüberschriften größtenteils ignoriert (aber wozu sind sie dann da?). Für mich wiegt dieser Kritikpunkt allerdings nicht schwer.
Schwieriger finde ich die Weiterführung der Charaktere. Mørck ist mürrisch wie immer, aber die Verwicklung in einen alten Fall, bei dem er selbst zum Hauptverdächtigen wird, ist wenig gelungen.
Mørck hat einen Koffer seines verstorbenen Kollegen auf dem Dachboden seines Hauses aufbewahrt, in dem sich Geld und Kokain befindet. Seine Fingerabdrücke finden sich auf den Geldscheinen, aber Mørck leugnet, vom Inhalt des Koffers gewusst zu haben. Die Beweislage ist erdrückend und sogar sein Vorgesetzter Marcus wendet sich von ihm ab. Dabei gibt es berechtigte Zweifel. Mørck selbst weist auf die möglicherweise fingierten Fingerabdrücke hin. Trotzdem hat Marcus kein Einsehen. Hier ist die Handlung von Marcus sehr fragwürdig, der ja um seinen besten Ermittler weiß und selbst Unterstützung in der Vergangenheit von ihm erfahren hat. Das Ganze ist für mich nicht konsistent.
Die Figur Assad war bisher immer der positive Gegenpol zu Mørck, der dem Chefermittler mit Witz die Bälle zugespielt hat. In „Natrium Chlorid“ bleibt die Figur farblos. Seine Kamelwitze überzeugen mich nicht. Rose und Gordon bleiben allerdings ihrem Muster treu.
Die verschiedenen Perspektiven erlauben es ebenfalls, in die Psyche der Täter einzutauchen. Bis auf das religiöse Motiv fand ich das Zurücklassen von Natrium Chlorid an den Tatorten unlogisch. Wenn ein Täter sich alle Mühe gibt, nur alle zwei Jahre zu morden, damit er nicht erkannt wird, dann lässt er doch keine Unterschrift unter seinen Taten zurück, die der Polizei die Möglichkeit gibt, eins und eins zusammenzuzählen.
Bis auf die obigen Kritikpunkte finde ich den Thriller spannend, aber nicht bis zur letzten Seite. Die Auflösung bietet wenig Überraschungen. Für mich war sie vorhersehbar. Insgesamt ist dieses Buch nicht das Beste der Reihe, auch wenn es von der Presse und dem Verlag als Kracher beworben wurde. Für spannende Lesestunden taugt es aber allemal.
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