Neuroenhancement, Nootropikum, Hirndoping und Hirntuning sind alles Begriffe, die eine Leistungssteigerung unseres zentralen Nervensystems beschreiben. Viele denken dabei an den Missbrauch von legalen oder illegalen Substanzen. Und das ist zweifellos ein Teil des Konzepts von Hirndoping oder Tuning. Aber die überwiegende Mehrheit von uns betreibt eine gewisse Form von Doping jeden Morgen – mehr oder weniger bewusst. Die Tasse Kaffee oder Espresso gehört für viele zu einem gelungenen Start in den Tag genauso wie die aufgehende Sonne. Aber was macht Koffein eigentlich mit unserem Geist? Und wie sieht es mit der Tasse Tee aus? Und gibt es vielleicht handfeste medizinische Gründe, die den Einsatz viel stärkerer Substanzen rechtfertigen könnten?
Kaffee und Tee – anderer Geschmack, gleiche Wirkung?
Beide Getränke enthalten Koffein, allerdings in unterschiedlichen Konzentrationen. Bei Kaffee variiert der Gehalt je nach Herkunft und Zubereitungsart. Filterkaffee zum Beispiel hat einen mittleren Koffeingehalt von 95 mg pro Tasse, wohingegen eine Tasse Instantkaffee leicht darunter liegt. Ein doppelter Espresso kann mit etwa 125 mg aufwarten. Die unterschiedlichen Gehälter werden nicht durch Röstung bedingt, wie man annehmen könnte, sondern durch das Extraktionsverfahren verursacht. Dass schärfere Bohnenröstungen einen höheren Koffeingehalt zur Folge haben, ist übrigens ein Ammenmärchen. Die Röstung stellt zwar das Aroma ein, jedoch nicht den Koffeingehalt. Eine sehr schöne Analyse des Koffeingehalts verschiedener US-Blends und deren geografischer Herkunft findet sich in dieser Studie. Die Autoren fanden den höchsten Koffeingehalt in einer Starbucks Regular Mischung und den niedrigsten bei Dunkin’ Donuts Regular. Das verwundert mich nicht. Wer einmal in den USA bei Dunkin’ Donuts einen Kaffee getrunken hat, weiß, was ich meine.
Bei Tee gibt es eine Abhängigkeit des Koffeingehalts vom Fermentationsgrad und der Zubereitungsart. Interessanterweise enthalten Teeblätter (3.5%) sogar mehr Koffein als Kaffeebohnen (1-2%). Schwarzer Tee unterläuft eine Trocknung und Fermentation, die die bekannten Aromen freisetzen. Der Koffeingehalt einer Tasse schwarzen Tees liegt zwischen 40 und 90 mg. Bei unfermentiertem, weißen oder grünen Tee ist der Gehalt geringer (20 bis 60 mg pro Tasse). Damit liegt der Koffeingehalt von schwarzem Tee ungefähr gleich auf mit dem von Kaffee. Warum glauben dann viele überzeugte Kaffeetrinker, dass ihr Kaffee der bessere Muntermacher ist?
Ein Grund sind die im Tee vorhandenen Gerbstoffe, die die Aufnahme des Koffeins im Körper verzögern. Damit ist die Anflutung des Koffeins langsamer. Der Effekt setzt später ein, hält dafür aber länger an. Und der Kick bleibt aus. Aber das ist noch nicht alles. Neben Koffein enthält Tee eine Aminosäure namens Theanin. Wissenschaftler fanden heraus, dass dieser Stoff die Aktivität der Alphawellen unseres Hirns steigert, was mit einer Entspannung und geringeren Aufmerksamkeit einhergeht. So wird der anregende Effekt des Koffeins zum Teil gleich wieder zunichtegemacht.
Im Übrigen ist die Aminosäure Theanin nicht zu verwechseln mit dem Begriff Teein. Früher glaubte man, dass Tee eine andere stimulierende Komponente als Kaffee enthalte. Diese Komponente wurde Teein getauft. Dass es sich tatsächlich aber um Koffein handelt, haben wir ja oben schon gesehen. Trotzdem hält sich der Begriff Teein hartnäckig.
Der Körper vergisst, dass er müde ist …
Koffein hat zum Teil strukturelle Ähnlichkeiten mit einem Botenstoff im Nervensystem namens Adenosin. Dieser Stoff reguliert unseren Schlaf-wach-Rhythmus. Seine Konzentration steigt über den Tag an und wir werden müde. Während des Schlafs in der Nacht sinken die Adenosinkonzentrationen wieder ab, bis zum Beginn eines neuen Zyklus am nächsten Tag.
Und genau dort setzt Koffein an. Es überwindet die Blut-Hirnschranke, verdrängt Adenosin von seinen Bindungsstellen und unterbricht das Müdigkeitsgefühl. Natürlich sind Körper und Geist immer noch müde, aber wir „vergessen“ die Müdigkeit sozusagen. Daher wird vielen Menschen mit Einschlafproblemen empfohlen, nachmittags keinen Kaffee mehr zu trinken und den Koffeinkonsum, falls überhaupt gewünscht, in den Morgen zu verlegen.
Aber ist das nicht genau der Effekt, den wir durch Trinken von Kaffee oder Tee erzielen wollen? Morgens ein bisschen wacher werden? Aufgaben schneller erledigen? Denn irgendwie haben wir doch alle das Gefühl, dass sich die Gedanken nach einer Tasse unseres Lieblingsgetränks ein wenig schneller formen. Aber stimmt das auch?
Steigerung der Hirnleistung
In dem vorigen Blogartikel haben wir gesehen, welche Leistungsdaten in Intelligenztests abgefragt werden. Ein wesentlicher Punkt war das Arbeitsgedächtnis. Wissenschaftler untersuchten daher die Wirkung des Koffeins an Probanden, um den Einfluss auf das Arbeitsgedächtnis und andere exekutiven Hirnfunktionen herauszufinden. Dafür analysierten sie die Vernetzung von Hirnarealen, anstatt auf Aktivitäten in einzelnen Hirnregionen zu fokussieren. Für komplexe Problemlösungen benötigen wir ja auch eine Vielzahl von Hirnregionen. Die Probanden wurden in der Studie 24 h lang auf Koffeinentzug gesetzt, dann bekamen sie ein in Korea erhältliches Kaffeeprodukt zu trinken, das 67 mg Koffein enthielt. Eine halbe Stunde nach dem Kaffee führten die Probanden verschiedene kognitive Tests aus. Ebenfalls wurden Elektroenzephalogramme (EEG) vor und 30 min nach Kaffeekonsum aufgenommen.
Kaffeekonsum führte in der Studie zu einer statistisch signifikanten Verbesserung des Arbeitsgedächtnisses und der Exekutivfunktionen des Gehirns. Aus den visualisierten EEG-Ergebnissen schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass Kaffeekonsum zu einer stärkeren Signalvernetzung von benachbarten Hirnarealen führte. Dies wiederum könnte eine Erklärung für die ebenfalls beobachtete Leistungssteigerung in den kognitiven Tests sein.
Die Studie liefert einige bemerkenswerte Anhaltspunkte für die temporären Effekte von Koffein auf unser Gehirn. Vor allem beweist sie die Messbarkeit der Effekte und damit deren Vorhandensein. Die Autoren der soeben zitierten Studie weisen allerdings darauf hin, dass ihre Untersuchung an nur 21 Probanden erfolgte. Daher bestehe Bedarf an weiteren Studien. Trotzdem ist es scheinbar nicht nur ein unbestimmtes Gefühl, dass die Trinker von Kaffee und Tee beschleicht, am Morgen erst einmal so richtig in Schwung zu kommen. Die Effekte sind tatsächlich vorhanden.
Wir können mit moderner Technik nachweisen, dass Koffein eine Änderung der neuronalen Signalmuster hervorruft. Diese Musteränderung wurde in direkt bildgebenden Verfahren ebenfalls bestätigt.
Doch die Effekte sind nur temporär auf einen bestimmten Zeitraum nach Koffeinkonsum beschränkt. Also sollten wir über den Tag verteilt mehr Kaffee trinken? Sind die richtigen Kaffeejunkies superclever und unschlagbar in Prüfungen? Lernen die besser und wird ihr Gehirn zu Rennmaschinen wie bei der Einnahme von Genuine? Nicht so ganz.
Lernen wir besser mit Koffein?
Diese Frage stellten sich Wissenschaftler seit einiger Zeit. Nehling analysierte dazu die vorhandene Literatur. Wie erwartet war die Antwort nicht einheitlich. Stimmung und Reaktionsvermögen steigen unter Koffeineinfluss an. Doch nach dieser Studienanalyse erhöht Koffein zwar die Aufnahmefähigkeit für Neues, jedoch nicht wenn man diesen Effekt gezielt zur Prüfungsvorbereitung ausnutzen möchte. Für Arbeiten, in denen das Arbeitsgedächtnis stark gefordert wird, reduzierte es sogar die Leistung.
Im Sport ergab sich ein ähnliches Bild. Je nach Studienprotokoll ergaben sich unterschiedliche Werte für kognitive Funktionen, allerdings stiegen wie oben gesehen Stimmung und Aufmerksamkeit bei niedrigen bis mittleren Koffeindosen messbar an.
Was bleibt? Die Stimmung beeinflusst auf jeden Fall die Aufnahmefähigkeit für Lernstoff vor Prüfungssituationen. Allerdings sollte man nicht allzu große Hoffnungen auf Koffein setzen, um schneller oder besser zu lernen. Bei Aufgaben, die eine hohe Konzentration erfordern, könnte Koffeinkonsum sogar hinderlich sein. Letztendlich hängt das von jedem Individuum ab, wie sein oder ihr Körper auf Koffein reagiert.
Eine Warnung für überhöhten Koffeinkonsum ergab sich aus der oben zitierten Studie. Dies soll hier nicht unerwähnt bleiben. Insbesondere für Männer fanden die Wissenschaftler eine positive Korrelation zwischen Kaffeekonsum und Angstzuständen. Wie so oft im Leben hilft viel eben nicht viel.
Wozu brauchen wir Wirkstoffe, die die Hirnleistung steigern?
Laut WHO leiden derzeit weltweit 55 Millionen Menschen an Demenz. Für das Jahr 2050 wird mit einer Steigerung der Patientenzahl auf 139 Millionen gerechnet.
Diese Größenordnungen zeigen eindrucksvoll, dass es einen riesigen Bedarf an einer effektiven Behandlung der Erkrankung gibt. Bis heute haben wir nur Anhaltspunkte und Theorien darüber, welche Faktoren die Krankheit begünstigen oder verursachen. Im besten Fall ermöglichen die derzeitigen Behandlungsoptionen, das Fortschreiten der Symptome für eine gewisse Zeit zu stoppen. Die verfügbaren Wirkstoffe sind allerdings für Alzheimer-Erkrankungen entwickelt worden, die etwa 60-70% der Demenzformen ausmacht. Damit haben wir einen signifikanten Teil der Demenzpatienten, die unter Umständen keine optimale Behandlung erhalten. Hoffnung spenden experimentelle Therapien, die derzeit in der klinischen Erprobung sind. Stand heute (02.03.2022) listet das US-Portal Clinicaltrials 7 Studien weltweit, die sich der Behandlung von frontotemporaler Demenz widmen und aktuell Patienten aufnehmen. Keine dieser Studien testet neue Wirkstoffe, dafür aber Hirntrainingsprogramme, für deren Wirksamkeit es Hinweise gibt. Leider wurde der Beginn einiger Studien wegen der Covid-19-Epidemie verschoben.
Es wird international an neuen Therapieansätzen gearbeitet, aber auf den großen Durchbruch müssen wir leider weiter warten.
Warum schreibe ich das alles? Weil ein Wirkstoff wie Genuine aus Genuine Madness komplett neue Behandlungsmethoden eröffnen würde. Wenn so ein Medikament jemals gefunden werden würde, dann hätte es definitiv eine breite medizinische Verwendung. Natürlich wäre das Militär vermutlich der erste Kunde. Aber viele zivile Technologien hatten ihren Ursprung in ehemals militärischen Anwendungen (z.B. das Internet). Stellen Sie sich einmal die Chance vor: Wir könnten zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit den geistigen Verfall bei Patienten nicht nur temporär stoppen, sondern komplett umkehren. Richtig eingesetzt wäre das eine echte Behandlungsalternative, die das Leid der Betroffenen und deren Angehörigen lindern würde. Aber das ist leider noch Zukunftsmusik.
Und was machen wir ohne Genuine?
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Faktoren der Demenzentwicklung zu kennen und zu minimieren, sofern das möglich ist. Laut WHO verringert man die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, durch körperliche Aktivität, Tabakabstinenz, geringen Alkoholkonsum, Verringerung von Übergewicht, gesunde Ernährung, durch die Behandlung von Bluthochdruck und erhöhten Cholesterol- und Blutzuckerwerten. Weitere Risikofaktoren für Demenz stellen Depressionen, soziale Isolation und Luftverschmutzung dar.
Diese Maßnahmen sind Anhaltspunkte. Sie sind unbefriedigend für bereits Erkrankte. Die WHO gibt daher ihren Mitgliedsstaaten vor, verstärkt in die Demenzforschung zu investieren, und strebt eine Verdoppelung der Forschungsergebnisse von 2017 bis 2025 an. Die Programme werden mit Sicherheit über 2025 hinaus weitergeführt.
Vielleicht findet man dadurch einen Stoff wie Genuine. Vielleicht entwickeln sich andere, bessere Therapien. Dringend benötigt werden sie auf jeden Fall.
Und was machen wir mit dem guten alten Koffein? Ist es eine Alternative? Leider ist die Wirkung um Längen schwächer als bei Genuine. Kaffeekonsum bei Demenzerkrankungen ist trotzdem Gegenstand aktueller Untersuchungen. Und das ist auch richtig. Aufgrund des Ausmaßes der Erkrankungshäufigkeit benötigen wir dringend neue Erkenntnisse, damit uns irgendwann der Durchbruch gelingt.
Schreibe einen Kommentar